Henry Wuga als Zeitzeuge am Gymnasium Hohenbaden
Was unterscheidet die Jugend um 1938 von der heutigen Jugend ? Der Zeitzeuge Henry Wuga schilderte dies sehr einprägsam am 11. November 2019 den beiden zehnten Klassen am Gymnasium Hohenbaden. Auf Vermittlung der Stadt Baden-Baden und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft wurde es den Zehntklässlern ermöglicht, einen Zeitzeugen kennenzulernen und zu befragen. „Es ist etwas ganz anderes, ob man die Fakten in Büchern nachliest oder eine persönliche Geschichte aus der Zeit des Nationalsozialismus hört“, meinte eine Schülerin. Das konzentrierte Zuhören und das gezielte Nachfragen der Jugendlichen zeigte, dass der authentische Zeitzeugenbericht von Henry Wuga bei ihnen nachhaltig wirkte.
Henry Wuga wurde 1924 in Nürnberg geboren und ging dort auf die Schule. Tränen stiegen ihm in die Augen, als er von einem Spott-Lied über Juden berichtete, das sie damals im Unterricht singen mussten. Von seinen Eltern wurde er mit 14 Jahren nach Baden-Baden geschickt, um hier eine Ausbildung zum Koch im Hotel Tannhäuser zu absolvieren. Das Hotel Tannhäuser war ein koscheres Hotel speziell für jüdische Gäste. Henry Wuga berichtete von langen Arbeitstagen in der Küche, die ihn als Jugendlichen auch körperlich sehr forderten, wie z.B. beim täglichen Sahne Schlagen mit der Hand. Baden-Baden bot dem Jugendlichen aber auch in seiner wenigen Freizeit viel Neues. Er erzählte unter anderem, wie faszinierend es für ihn war, dass hier heißes Wasser aus den Brunnen floss.
Nach neun Monaten wollte er zu seinen Eltern reisen, weil er so Heimweh hatte. Und so fuhr er am Abend des 08. November 1938 nach Nürnberg zurück. Im Nachhinein war er froh über seinen damaligen Entschluss, da er dadurch die Reichskristallnacht nicht in Baden-Baden miterleben musste, da er weiß, wie furchtbar es hier war. Den Schülern stockte hörbar der Atem, als sie erfuhren, dass Henry Wuga dann im Mai 1939 mit einem Kindertransport nach Schottland kam und damit von seinen Eltern getrennt wurde.
Gerade seine Schilderungen von den weinenden und schreienden Kindern im Zug gingen den Schülern sehr nahe. Henry Wuga hatte das Glück, in Glasgow von einem freundlichen Ehepaar aufgenommen zu werden. Die Betroffenheit war den Schülern anzusehen, als sie von Henry Wuga erfuhren, dass er nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zehn Monate als „dangerous enemy alien“ von den Engländern inhaftiert worden ist. Ein weiterer Prozess hat ihn dann zu einem „friendly alien“ gemacht, so dass er wieder entlassen wurde. Er wäre auch zu jung fürs Internieren gewesen.
Einige Jahre später wurde er britischer Staatsbürger und hat in seinem weiteren Leben versucht, diesem Land, das ihn als Juden aufgenommen hatte, wieder etwas zurückzugeben. Für sein Engagement als Ski Bob Trainer von britischen kriegsverletzten Soldaten wurde er 1999 von der Queen ausgezeichnet.
Anja Rieger